„Die Arbeit am Kind liegt mir am Herzen“ - Abschied nach 45 Jahren im Kindergarten
Meschede. Seit 1973 arbeitet Roswitha Schneider im Johannes-Kindergarten. 19 Jahre alt war sie, als sie nach der Ausbildung an der Fachschule für Sozialpädagogik- hier ihr Anerkennungsjahr absolvierte. Danach wurde sie zu ihrer Freude im Johanneskindergarten übernommen und ist seitdem Erzieherin, wie sie es sich als Fünfjährige schon gewünscht hat.
Damals-die Familie lebte in Balve - ist sie selbständig in den dortigen Kindergarten gegangen. Quer durch die Stadt musste das Mädchen laufen. Weil ihre Mutter nicht wollte, dass sie in den Kindergarten ging, hat sie sich selbstständig angemeldet. „Ich d urfte damals dableiben, denn die Erzieherinnen konnten mich nicht einfach wieder zurückschicken. Am nächsten Tag hat meine Mutter mich dann angemeldet.“ Sie war froh, dass sie von da an mit den Nachbarskindern im Kindergarten spielen konnte. „Zu Hause war es mir nämlich langweilig.“
Spielen – mit anderen Kindern, die gleichalt oder etwas älter sind, das ist für sie das Wichtigste im Kindergarten. Besonders für die vielen Einzelkinder. Sie selbst ist Mutter eines Einzelkindes und weiß, wovon sie redet. Sind Kleinkinder immer nur mit Erwachsenen zusammen, müssen sie lernen mit Gleichaltrigen umzugehen: Wie nimmt man Kontakt auf, wie teilt man Spielsachen, wie fädelt man sich in das Spiel einer Gruppe ein?
45 Jahre ist Roswitha Schneider begeisterte Erzieherin in der roten Gruppe. Früher kamen 3-6-Jähritge zu ihr. Heute begleitet sie mit zwei Kolleginnen die unter dreijährigen Kinder. Als Älteste im Team hat sie vor einigen Jahren eine Fortbildung dafür gemacht. „Ich wollte gern etwas Neues lernen.“ Selbstverständlich krabbelt sie mit den Kleinen auf dem Boden herum, zieht geduldig Puppen an. Ihr ist besonders wichtig, die Sprachfähigkeiten der Kinder zu fördern. Immer wider spricht sie langsam und genau die Kinder an. Manche sind in ihrer Sprachentwicklung verlangsamt. Roswitha Schneidre führt das darauf zurück, dass sie viel Umgang mit Medien haben. „Kinder sollen mit den neuen Medien aufwachsen“, das findet sie wichtig, aber ebenso wichtig ist ihr, dass Menschen mit ihnen sprechen, denn in Filmen oder interaktiven Spielen werden die Wörter häufig zu schnell ausgesprochen. Sie spielt Memory mit den Kindern. Bei jeder Karte, die aufgedeckt wird, sagt sie einen vollständigen Satz: Das ist eine Puppe, das ist eine Baum.
Was die Sprachfähigkeit und das Wohlbefinden der Kinder fördert? Roswitha Schneider ist sich sicher: Auf dem Sofa sitzen, kuscheln und Geschichten mit Bilderbüchern erzählen. Da sitzt sie dann mit zwei Kindern rechts und links neben ihr, einem auf dem Schoß und einem anderen, das sich an ihre Schulter schmiegt, und schaut sich mit den Kindern die Bilder an, erzählt, was sie sieht, und ermutigt die Kinder, ihre Beobachtungen zu benennen. Feste Rituale sind wichtig für die Kleinen, weiß Roswitha Schneider. Deshalb macht sie auch jeden Tag Frühdienst, damit die Kinder morgens immer dieselbe Person antreffen. So entsteht Vertrauen.
An ihren ersten Arbeitstag erinnert sie sich noch: Damals war der Kindergartenbau noch nicht fertiggestellt. „Wir trafen uns im Pfarrhaus Grolla.“ Alle wurden in ihre Aufgaben eingewiesen. „Als der Tag zu Ende war, habe ich Pastor Groll vorsichtig gefragt: Kann ich morgen frei haben? Ich hatte da nämlich meine Führerscheinprüfung. Das war mir so peinlich, das zu fragen.“ Natürlich hat Pastor Groll ihr diesen Tag freigegeben, denn von Balve, wo Roswitha Schneider damals lebte, musste sie mit dem Auto kommen.
Dass Kinder heute den ganzen Tag im Kindergarten sein können, findet sie gut. Die Eltern arbeiten und die Kinder brauchen gute Begleitung. „Unsere Kleinen sind gerne hier und betrachten uns als Familienersatz. Die ganz Kleinen sagen zu uns sogar „Mama“. Anstrengend findet sie die viele zusätzliche Organisationsarbeit, darunter den Datenschutz. Es sind so viele Absprachen nötig. Ganz viele Zettel müssen heute an Eltern ausgehändigt und von ihnen unterschrieben werden. „Da bin ich froh, dass ich das demnächst nicht mehr machen muss“. Die Zeit dafür hätte sie lieber für die Arbeit am Kind. Das ist ihr das Wichtigste. Dafür hat sie sich regelmäßig fortgebildet. Besonders gerne im Bereich von MINT, Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften. „Auch mit den Kleinsten kann ich tolle Experimente machen“, sagt sie und lächelt.
Sie wird die Kinder vermissen und trotzdem den Ruhestand genießen, der im Dezember beginnt. Was wird sie tun? „Zunächst einmal das, was ich jetzt länger nicht machen konnte: gruselige Kriminalromane lesen, wegfahren und Fahrradtouren machen.“ Später will sie dann auch den Kindergarten besuchen.
Was ist wichtig für gute Arbeit im Kindergarten? Roswitha Schneider betont zwei Aspekte: Für gute Teamarbeit ist Vertrauen nötig. Und das entwickelt sich nur, wenn man sich auch privat einander öffnet. Und die Bereitschaft, man selbst zu bleiben. Ehrlich mit sich selbst umzugehen, eigene Stärken und Schwächen zu kennen und mit den anderen im Team die Arbeit gabenbezogen zu teilen. „Ich hab nie gerne Hauarbeit mit den Kindern gemacht“, erzählt sie, „da war ich froh, wenn andre das gern übernahmen.“
Roswitha Schneider freut sich, dass ihr Abschiedsgottesdienst noch in der Johanneskirche gefeiert werden konnte, die eine Woche nach ihrem Abschied endgültig entwidmet wird. Dieser Kirch ist ihr während ihrer Arbeit ans Herz gewachsen. Hier wurden sie und ihr Mann getraut. KKB